Montag, 10. November 2008
Thema: Tonträger

Sängerin Ofri Brin kommt aus Israel, hat mit Berlin aber seit einiger Zeit ein Nest in deutschen Landen gefunden. Zusammen mit ihrem Mitmusiker Oded K.dar hat die Dame mit dem auffälligen Rotschopf nun ein Album aus dem Hut gezaubert, dass trotz allem Minimalismus so viel ist. Und damit bietet es viel mehr, als so manches, was sich heutzutage "Pop" nennt und vor allem eins: nämlich Klasse.

Auch wenn OFRIN ihre Musik selbst als Jazz und Pop bezeichnen stimmt diese Kategoriesierung nur im Ansatz. Natürlich sind das die Eckdaten, die eine grobe Albumeinordnung versprechen, aber eben nur eine grobe. Viel mehr ist "On Shore Remain" ein minimalistisches Kleinod, was sich aus elektronischen und akustischen Ambient- und Downbeat-Sounds mit Folklore-Anleihen zusammensetzt. Dazu singt Ofri in englischer Sprache und mit samtweicher Stimme wunderbare Texte. Die Art des Gesangs erinnert zum Teil an Feist, hat aber genug Charakter um als eigenständig zu gelten. Das Album selbst braucht sich hinter Artverwandten wie Air oder eben genannter Feist nicht zu verstecken.

"On Shore Remain" ist letztenendes trotzdem noch zu sperrig für den Mainstream, sollte OFRIN aber zumindest über den Geheimtipp-Status hinausheben und in Zeiten des New- oder Neojazz auf viele offene Ohren stoßen. Ob nach dem Clubbesuch, in der Lounge, beim Yoga oder einfach nur so. "On Shore Remain" sollte für die ruhigen Momente im Leben immer griffbereit darliegen.

Label:
Stamp Records / Rough Trade

Vö:
24.10.08

Format:
CD




Thema: Tonträger

Die erste Toy Group der Welt ist zurück und bereit die Menschheit zu unterwerfen. Dieses von langer Hand geplante Unternehmen könnte jetzt, mit veröffentlichung des dritten regulären Albums "The Takeover", endlich Realität werden.

1996 in Berlin angesiedelt wurde zu erst Frankreich übernommen. Im Laufe der Jahre folgten weitere Teile Europas und nun will man sich die ganze Welt untertan machen . An forderster Front kämpfen dafür Mr. Maloke, Panic the Pig und Snuggles the Bunny. Ihnen zur Seite stehen fast 30 weitere Puppen. Die Waffe: Hip-Hop Kultur in kreativster Reinform. Genregrenzen gibt es keine. Funk grooved mit Westcoast Rap. Mit dem Arsch wird zu Electro-Rock gewackelt. Oberste Priorität ist Humor. Alles was danach folgt ist clever und perfekt platziert. Kombiniert mit höchster Energetik macht das Puppentheater besonders live ausserordentlich viel Spaß. Das wissen besonders die Franzosen zu schätzen und strömen - von den Puppen hypnotisiert - in Scharen von bis zu 5000 Leuten zu den Konzerten der seltsamen Kreaturen mit den Händen im Pöppes.

Die PUPPETMASTAZ sind der Wu-Tang Clan der Muppet Show, obwohl sie eigentlich Peter Jacksons Feebles näher stehen als Jim Hensons Puppenzirkus. Lasst euch von den Puppen hypnotisieren. Werdet Teil des Movements. Join the Culture. The Takeover has just begun.

Label:
Discograph / Alive

Vö:
14.11.08

Format:
CD




Thema: Tonträger

Kaum eine Albumveröffentlichung der letzten Zeit hat im Vorfeld so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wie der BLOC PARTY Drittling "Intimacy". Ob das nun an der radioheadesken Veröffentlichungsstrategie lag, sei mal dahin gestellt. Sicher ist aber auch, dass kein Album aus der letzten Zeit die Gemüter so sehr spalten wird. Aber was wären Bloc Party, wenn man das Wörtchen "Experiment" nicht miteinbeziehen würde? Eben. Nur eine weitere x-beliebige Indie-Band.

Die Mannen um Kele Okereke beherrschen den schmalen Weg zwischen Konsens und Sperrigkeit wie kaum eine andere Band. Und so beginnt man mit dem wuchtigen Hip-Hop/Rock Experiment "Ares". Weiter geht es mit "Mercury", der ersten Single. Ebenfalls als gewagtes Experiment zu betrachten strotz es zum Beispiel vor haufenweise hektischen Streicherarrangements und vertrackten Beatwechseln. Denen eine Struktur abzugewinnen fällt wahrlich schwer, Durchhaltevermögen wird aber belohnt. Hat man sich erst mal auf den Song eingelassen entpuppt er sich als einer mit Klassiker-Ambitionen. "Halo" bedient dann wiederum die Freunde der Eingängigkeit und der klaren Strukturen. Mit "Signs" haben sich Bloc Party ein zweites "So Here We Are" ins Nest gelegt. Alles was danach kommt schockt und verblüfft nur noch bedingt. Spätestens mit "One Month Off" hat man sich an die Elektrospielereien gewöhnt und mit "Zephyrus" an die Hip-Hop-Tribut-Beats.

Insgesamt kann man es so zusammenfassen: Bloc Party waren noch nie eine Band, die sich auf ihren Loorbeeren ausruhte und mit "Intimacy" haben sie sich wieder einen Schritt weiter entwickelt. Für die einen wird er in die richtige, für die anderen in die falsche Richtung gegangen sein. Bloc Party selbst scheren sich nicht um Erwartungen. "War, war, war, war! I want to declare a war" singt Kele Okereke in "Ares". Und bei aller Sympathie nimmt man ihm das ab. Krieg gegen Erwartungen, aber vorallem Krieg gegen Konventionen. Diese Schlacht hat er gewonnen. Der Krieg ist aber sicherlich noch nicht vorbei.

Label:
Cooperative / Universal

Vö:
24.10.08

Format:
CD




Thema: Tonträger

Bitte nicht in die Irre führen lassen. "Live At Dead Lake" ist genau so wenig ein Live Album, wie die Band aus Paris stammt. HOT CLUB DE PARIS sind nämlich Liverpooler und so verquer die Namensgebungen verlaufen, so verquer verläuft auch die Musik.

"Live At Dead Lake" ist das Nachfolgealbum zum 2007 erschienen "Drop It Til It Pops", mit welchem sich das Trio nicht bloß eine Menge Fans, sondern auch großen Druck erspielt hat. Das Debüt war nämlich schlichtweg an der Grenze zur Genialität. Selten (oder eigentlich noch nie) hat man so verspielten Indie-Rock gehört, der eigentlich Math-Rock ist. Während sich die Konkurrenz in immer neuen Brit-Pop-Wellen selbst zitierte, schaffte der HOT CLUB DE PARIS sein ganz eigenes Klanguniversum. Die hochgesteckten Erwartungen gilt es mit "Live At Dead Lake" nun zu erfüllen oder gar zu übertreffen.

Gut, um letzteres zu schaffen hätte man sich schon selbst neu erfinden müssen und warum sollte man ein bewährtes Konzept umstellen, obwohl es beim ersten Mal noch blendend funktionierte? Also bedient man sich weiterhin alter Mittel: verspielte, vertrackte Bass- und Gitarrenläufe und ebenso wirre Schlagzeugrhytmen. Wie gewohnt wenig bis gar keine Zerre im Gitarrenspiel und wunderbare Melodien. Diese gibt es auch im Gesang, der - wie schon beim Vorgänger - einfach zum Mitsingen anregt. Platz für große Überraschungen bleibt da leider keiner.

Der geneigte Indie-Pop-Fan könnte den heißen Club zu hibbelig finden. Der Rocker zu unrockig. Trotzdem wird auf "Live At Dead Lake" feinster Math-Indie-Rock weit abseits des sonst gehörten Indie-Zirkus geboten. Jeder Fan des Vorgängeralbums kann auch hier getrost zugreifen, ebenso wie alle, die auch vom Debüt der FOALS begeistert waren.

Label:
Moshi Moshi Records / Cooperative Music

Vö:
03.10.08

Format:
CD




Thema: Tonträger

Vor ein paar Jahren hat man noch den Kopf geschüttelt, wenn eine Rock Band anfing ihren Sound mit Electro-Elementen zu verfeinern. Mittlerweile ist das Standart. Jetzt wird eben Attitüde mit Electro aufgepeppt.

Deutschpunk Texte über Minimal-Techno. Man versucht sich mit seiner Meinungsmache nun an anderen Zielgruppen und gibt sich modeorientiert. Obergründig als Partymusik getarnt, unter der Oberfläche herrschen Wut gegen Schweini-Wahn, Wut auf Normalität, auf Arbeitsfäulnis, auf Deutschland. Ironisch ist hier nichts. Man mag die streitbaren Texte nun gut oder schlecht finden - ansichtssache - zählen sollte aber auch die Musik - und die ist leider nur mittelmaß. Halbgar. Langweilig. Partystimmung: Fehlanzeige. Bis auf "Kotzen" brummert die ganze Platte einfach so dahin. Hängengeblieben ist nichts, bis auf ein paar Textfetzen. EGOTRONIC haben schon mit ihrem letzten Werk "Lustprinzip" zu polarisieren gewusst und greifen das in dem Song "Kotzen" wieder auf:

"Du kennst die letzte Platte - hast dazu was geschrieben. Fandst sie ok, hieltst nur den Deutschland-Diss für übertrieben"

Mehr als "Ok" ist der selbstbetitelte Drittling dann auch leider nicht. Texte für autonome Zentren + Musik für die Kirmes Disco = kurzweilige Lieder für Hochschulradios und alternative Discotheken. Egotronic werden vermutlich im Zuge des aktuellen Electroclash -Hypes kurzfristig einige neue Anhänger finden. Auf Dauer ist das aber alles zu stumpf.

Hut ab und extra Punkt gibt es allerdings für den Mut auch beim dritten Album immer noch nicht die Klappe zu halten und aktuelle Probleme beim Namen zu nennen. Nur der Vermittlungsweg sollte beim nächsten Mal vielleicht etwas überarbeitet werden.

Label:
Audiolith / Broken Silence

Vö:
14.11.08

Format:
CD / LP / Download




Thema: Tonträger

Das nächste große Ding in Sachen Electroclash/-punk/-rap kommt weder vom Deich, noch aus der Hauptstadt, sondern aus - wer hätte es gedacht - München. Und so doof Bandname und Titelgebungen auf "Nachtigall" auch sein mögen, fast immer steckt da mehr dahinter. Neben der (vielleicht auch hineininterpretierten - wer weiß das schon so genau?) Substanz kommt die Partyfraktion aber nicht zu kurz. Wummernde Beats und knarzige Gitarren gepaart mit knarzigen Beats und wummernden Gitarren. Dazu dann mehroderweniger-Rap mit Gröhl und Melodie. 14 mal. Kumuliert ergibt das "Nachtigall". Quintessenz: Spaß.

"Und der Rest von dir ist auch rotzfrech, jetzt stichst du endlich wieder raus aus der Masse!"

Audiolith Records hat mit FRITTENBUDE ein goldenes Näschen bewiesen und nach Bratze und Der Tante Renate den nächsten Dancefloor Überstarter ins Rennen geschickt. FRITTENBUDE haben genau das richtige Mittelmaß gefunden und sich dort das Nest für ihre Nachtigall gebaut, wo sich andere in politische Kirmeshaudrauftechno-Nesseln setzen (Egotronic) oder adoleszente Bierduschen pflegen (Deichkind). Gut gemacht FRITTENBUDE. Gut gemacht Audiolith.

Anspieltipps: Hildegard, Ein Affentanz, Superschnitzelovesong

Label:
Audiolith / Broken Silence

Vö:
14.11.08

Format:
CD / LP / Download